Im Glottertal feiert die Thure von Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin (AIM) in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Die Tagung, die zu diesem Anlass vom 6. bis 8. Juni 2013 stattfindet, steht unter dem Motto: “Auf der Suche nach der verlorenen Kunst des Heilens”. Den literarischen Auftakt dazu bildet eine öffentliche Lesung von Juli Zeh aus ihrem Buch Corpus Delicti am 6. Juni 2013 in der Katholischen Akademie in Freiburg. Doch was haben Zeh und die AIM gemeinsam? Sie teilen die Sorge um die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens.
Medizin ist eine Heilkunst und kein Kundendienst
“Medizin ist eine Heilkunst und kein Kundendienst”, so Werner Geigges, Sprecher des Vorstands der AIM. “Wir sehen die zunehmende Kommerzialisierung unseres Berufs sehr kritisch. Als Arzt oder Pflegekraft ist es wichtig, auch wirtschaftlich zu arbeiten. Aber der Patient kommt ja in die Praxis, um gesund zu werden und nicht um einen betriebs-wirtschaftlichen Zweck zu erfüllen”, erläutert Geigges weiter.
Thure von Uexküll (1908-2004) gründete die Akademie 1992 mit Freunden und Kollegen und ließ sie 1993 als Verein eintragen. “Für sein Modell einer Integrierten Medizin verband er Konzepte der Biosemiotik, des Konstruktivismus und der Systemtheorie miteinander”, so Wulf Bertram, Generalsekretär der AIM. “Symptome sind nach diesem Ansatz Zeichen im Sinne von Indizien, die keine festgeschriebene, sondern eine zugewiesene Bedeutung haben und daher von Patient und Arzt gemeinsam interpretiert werden müssen”, erklärt Bertram die Grundideen der AIM.
“Wir sind stolz, für unsere Tagung nicht nur Juli Zeh, sondern führende Wissenschaftler aus den Gebieten der Psychoneuroimmunologie, der Biosemiotik und der Gesprächsforschung gewonnen zu haben. Damit zeigen wir, dass eine sprechende und beziehungsorientierte Medizin, wie wir sie vertreten, nicht unwissenschaftlich ist.
Thure von Uexküll war stets der Auffassung, dass nur eine wissenschaftlich fundierte Theorie die Basis für eine gute und menschliche Medizin darstellen kann
Im Gegenteil: Thure von Uexküll war stets der Auffassung, dass nur eine wissenschaftlich fundierte Theorie die Basis für eine gute und menschliche Medizin darstellen kann”, so Bertram weiter.
In der AIM, mit ihren mittlerweile fast 200 Mitgliedern, sind neben Ärzten, Psychologen und Pflegekräften beispielsweise auch Physiotherapeuten oder Körpertherapeuten vertreten. “Diese Interdisziplinarität zeichnet uns aus”, sagt Geigges weiter. “Die zunehmende Spezialisierung der Medizin ist eine echte Bereicherung und hat viel Fortschritt ermöglicht. Sie darf aber nicht dazu führen, dass wir nur noch Krankheiten und keine Menschen, mehr behandeln. Die bio-psycho-soziale Dimension des Menschen, wie sie in der Psychosomatik längst etabliert ist, müssen wir in alle Spezialgebiete der Medizin zurücktragen”, so Geigges.
Die Tagung verknüpft aktuelle Forschungsergebnisse mit praktischen Beispielen. Schwerpunkt ist neben einer Rückschau und Bestandsaufnahme aber auch der Versuch, neue Wege zu entwerfen und zu gestalten. So überrascht es nicht, dass nach Zehs gesellschaftskritischem Auftakt Jana Jünger aus Heidelberg den Abschluss der Veranstaltung bilden wird. Jünger ist Leiterin des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) und wird aufzeigen, wie Medizinstudenten heute nicht nur handwerkliche, sondern auch kommunikative Fähigkeiten erwerben müssen, um Krankheit und Kranksein verstehen zu können.
“Diese Tagung ist für uns etwas ganz Besonders”, so Bertram. “Wir knüpfen nicht nur an die Tradition Thure von Uexkülls einer Integrierten Medizin an, sondern zeigen auf, dass Veränderung im Gesundheitswesen möglich ist: Sie fängt bei jedem Einzelnen im Kopf an.”