Ein Paradigma ist eine Theorie (Art des Schauens), die sich in einer bestimmten wissenschaftlichen Disziplin zur Lösung aktueller Probleme besser bewährt hat als mit ihr konkurrierende Theorien (Kuhn 1973). Mit einem Paradigmawechsel ändert sich diese Theorie und bestimmt in dem entsprechenden Bereich unserer Sprache die Bedeutung neu, welche die Begriffe dort bisher hatten.
Damit entsteht die prinzipielle Frage: Was bedeutet ein derartiger Wechsel in einer Wissenschaftsdisziplin für die Nachbardisziplinen und schließlich für die Wissenschaft als Ganzes bzw. wie groß ist die Reichweite eines Paradigmas und eines Paradigmawechsels?
Paradigmen sind demnach austauschbare Elemente im Rahmen eines sinnvollen Zusammenhanges.
Da Begriffe sprachliche Werkzeuge unseres Denkens sind, wird ihre Reichweite primär von der Sprache bestimmt. Daher müssen wir die sprachliche Bedeutung des Begriffs “Paradigma” unabhängig von der Definition betrachten, die Kuhn (1973) ihm gegeben hat. Auf die Frage nach der Funktion des Begriffs “Paradigma” als sprachlichem Element erfahren wir, dass es mit dem Begriff “Syntagma” in einem Zusammenhang steht, in dem die beiden Begriffe sich gegenseitig definieren (Metzler 1985, v. Uexküll et al. 1996): “Paradigmen sind eine Anzahl sprachlicher Einheiten, zwischen denen in einem gegebenen Kontext zu wählen ist (z.B. in dem Kontext: Er steht hier/dort/oben/unten), im Unterschied zu Einheiten, die zusammen vorkommen, um einen Kontext, ein Syntagma, zu bilden” (Duden 1990).
Paradigmen sind demnach austauschbare Elemente im Rahmen eines sinnvollen Zusammenhanges (Kontext = Syntagma). Im Rahmen des Kontextes einer Handlung, die zu Erfahrungswissen führt, können verschiedene Paradigmen dieses Wissen modifizieren, indem sie die Aufmerksamkeit auf verschiedene Details richten (z.B. ob der Beobachtete “hier”, “dort”, “oben” oder “unten” steht).
Wissenserwerb durch Handlung, d.h. “Wissenschaft”, entspricht einem Syntagma, während Paradigmen Erfahrungen der speziellen Handlungen eines Fachgebiets begründen.
Danach gibt es zwei Arten “wissenschaftlicher Revolutionen“: “begrenzte Revolutionen” nach einem Paradigmenwechsel in einem Fachgebiet und “große Revolutionen”, die als Ausdruck eines “Syntagmawechsels” unsere Vorstellung von Wissenschaft verändern. Hinter der Ablösung der Physik als Leitwissenschaft oder Prototyp aller Naturwissenschaften steht ein Syntagmawechsel: Unsere Vorstellung über die Reichweite unseres Erfahrungswissens oder kurz unsere Erkenntnistheorie und mit ihr unsere Begriffe für “Realität” und “Wissenschaft” haben sich verändert.
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